laesio enormis bei Internetversteigerungen
Friday, January 18th, 2008Vertragsanfechtung wegen Verkürzung über die Hälfte (laesio enormis) auch bei Internetversteigerungen
Ersteigert ein Erwerber bei einer Internetauktion eine Sache, die weniger als die Hälfte (laesio enormis) wert ist, kann der Vertrag deswegen angefochten werden. Internetauktionen erfreuen sich großer Beliebtheit. Im Anlassfall wurde ein Gebrauchtwagen auf „e-bay“ zum geringsten Gebot von € 1,– zur Versteigerung angeboten. Das schon ältere Fahrzeug war als Bastlerfahrzeug beschrieben, welches auch jederzeit besichtigt werden hätte können. Die Begutachtungsplakette stand nahe vor dem Ablaufen und der Auspuff hätte geschweißt und auch der Rost an den Seitenteilen des Fahrzeugs beseitigt werden müssen. Der Erwerber ersteigerte das Fahrzeug schließlich um einen Kaufpreis von ca. € 4.000,–. Er hat das Fahrzeug weder besichtigt noch kannte er dessen tatsächlichen Wert. Als der Erwerber das ersteigerte Fahrzeug besichtigte, fiel er aus allen Wolken, verweigerte die Übernahme und auch die Zahlung des Kaufpreises. Das Fahrzeug war „defekt“ und nicht betriebs- und zulassungsfähig. Der Verkehrswert des Fahrzeugs betrug unter Berücksichtigung sämtlicher Mängel zwischen € 500,– und höchstens € 1.600,–. Nichts desto trotz begehrte der Anbieter die Zahlung des gesamten Kaufpreises. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und entschied, dass es auch im vorliegenden Falle eine Vertragsaufhebung gem § 934 ABGB wegen Verkürzung über die Hälfte zulässig sei. Die Geltendmachung der laesio enormis stehe dem Ersteigerer auch bei einer privaten Internetversteigerung zu. Der Anbieter machte im Revisionsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof geltend, der aleatorische Charakter des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Geschäfts verwehre es dem Ersteigerer, die Vertragsaufhebung wegen Verkürzung über die Hälfte zu fordern. Es handle sich um ein Glücksgeschäft, welches gem § 1268 ABGB nicht wegen laesio enormis angefochten werden könne, weil Risiken für den Glücksvertrag charakteristisch sind und von den Parteien bewusst übernommen werden.
Dieser Rechtsauffassung ist der Oberste Gerichtshof (4 Ob 135/07 t) nicht gefolgt. Bei der Internetauktion eines privaten Anbieters als Verkäufer auf einer Internetplattform macht der Verkäufer mit Beginn der Auktion durch Einrichten der Angebotsseite demjenigen ein verbindliches Kaufsangebot, der während der Laufzeit das höchste Gebot abgeben wird. Dieser Bieter nimmt das Verkaufsangebot durch die Abgabe des höchsten Gebots an. Ein solcher Kaufvertrag ist kein Glücksvertrag, er ist daher gemäß § 934 ABGB wegen Verkürzung über die Hälfte anfechtbar.